Fotografien in schwarz-weiß, die Szenen aus dem Alltag in einer ungewöhnlichen Wohnsituation zeigen, werden begleitet von Tonaufnahmen einer fragmentierten Erzählung übers Tochter-eines-dementiell-veränderten-Vater-sein. Diese ist unterbro- chen durch in der online Demenz-Community gesammelte Sätze, die Menschen mit Demenz sagen, um in einem Gespräch wieder Fuß zu fassen,. Die Arbeit greift zeitliche Desorientierung, die Unschärfe zwischen der Fremde und dem vertraut sein und die Willkür der Herausforderungen des Lebens auf.
Die “Dahamas”, oder wie der dementiell veränderte Mitbewohner ihr Zuhause gerne nennt, “Der Schönste Ort der Welt”, ist ein Zweifamilienhaus am Rande von Linz in dem seit 2018 neben der Tochter Sofia und dem dementiell veränderten Vater auch andere, nicht-verwandte Menschen leben. So entstand eine inklusive Wohngemein- schaft, die eine neue Perspektive auf Angehörigenpflege, selbstbestimmtes Leben und Mehr-Generationen-Wohnen schafft. Dabei rücken auch die Mehrsprachigkeit und die unterschiedlichen Herkünfte der Mitbewohnenden immer wieder in den Vordergrund und machen die Fragen “Was ist, und was braucht Inklusion?” und “was bedeutet ei- gentlich Daham (Zuhause)?” aktuell.

Hintergrund und Inspiration
Seit mehr als fünf Jahren ist die inklusive Wohngemeinschaft Lebensrealität. Aber was bedeutet eigentlich “inklusiv” im Zusammenhang mit Wohngemein- schaft? Es drückt aus, dass in dieser Wohngemeinschaft Menschen leben, deren Bedürfnisse von der Norm abweichen. Konkret ist das in erster Linie der Vater der Künstlerin Sofia Jüngling-Badia, er lebt seit über zehn Jahren mit dement- zellen Veränderungen. Als die Künstlerin wieder bei ihm einzog, wurde schnell klar, dass sie nicht auf das übliche WG-Leben während des Studiums verzichten wollte, und dass das Haus die passenden Vorraussetzungen hatte, um darin eine Wohngemeinschaft zu gründen. Seit 2019 leben neben der Künstlerin und ihrem Vater auch noch andere Mitbewohner*innen in der Wohngemeinschaft.
Die Wohngemeinschaft ist ein buntes Miteinander, manchmal bleiben Mitb- wohnende für längere Zeit, andere nur für wenige Wochen oder Monate. Nicht alle sprechen muttersprachlich Deutsch und der Alltag ist häufig zwei- bis drei- sprachig.
Seit Anfang 2020 macht die Künstlerin Öffentlichkeitsarbeit und spricht im In- ternet, in Medien und auf Bühnen über ihre Arbeit als pflegende Angehörige und das Leben in der inklusiven Wohngemeinschaft. Auch in ihren künstlerischen Ar- beiten findet sich viel aus dem erlebten Alltag wieder.

– Wo is da schenste Ort da Wöd?
Bei uns auf die Dahamas!
sagt Paps und lacht.
Gewählte Medien im Kontext
Fotografie
als Form der Dokumentation, aber auch der Begegnung. Fotografie schafft eine Verbindung zwischen der Künstlerin und ihrem Vater, denn wie in der Biogra- fiearbeit – einer Methode aus der Begleitung von demenziell veränderten Men- schen – eingesetzt, ist Fotografie eine aus dem Leben des Vaters aufgegriffene Leidenschaft.
Der Diaprojektor als Wiedergabemedium bringt die Rezipient*innen auch durch sein Rauschen und mechanisches Klicken in die Vergangenheit. “Durchzappen” im eigenen Tempo, durch Fotografien die vertraute Sitationen darstellen, ohne dass man die abgebildetetn Personen erkennt, lädt ein, sich in eine dementielle Veränderung hineinzufühlen.
Schreiben als Katharsis, die erste Form der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema “einen kranken Papa haben” und ein fixer Bestandteil in der inklusiven Wohngemeinschaft, manchmal gemeinsam ausgeführt, manchmal alleine. Denn eine Wohngemeinschaft wächst und verändert sich, wie die, die darin leben.
Die Audios erzählen in fünf Fragmenten Szenen aus dem Alltag, sie sind unterbrochen von Sätzen, die von dementiell veränderten Menschen eingesetzt werden um in ein- er Unterhaltung, der sie nicht mehr folgen konnten, wieder einzusteigen, oder das Thema wieder in vertrautes Gebiet zu bringen. Einige Sätze stammen vom Vater der Künstlerin, andere sind in der online Comunity Demenzangehöriger gesammelt. Damit wird die zeitliche Orientierungslosigkeit aufgegriffen, zu der es in vielen Fällen einer neurodegenerativen Erkrankung kommt.
Eingesprochen sind Fragmente von der Künstlerin selbst, für die Unterbrechun- gen wurde sie von Severin Standhartinger unterstützt.
Eingebettet in Einrichtungsgegenstände aus der Wohngemeinschaft und welche die an diese erinnern, wird ein intimer Rahmen geschaffen, der die Wohngemein- schaft spürbar macht.



Ausstellungen
22.11.2023 – 02.04.2024 Time Out 12 // ARS Electronica Center, Linz
03.04.2014 – 27.04.2024 VIS A VIS // Die Forum Gallerie, Wels